Fall Casey Anthony: Ein Freispruch schockiert Amerika (2024)

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Vor dem Gerichtsgebäude schrien Menschen nach dem Urteil "Gerechtigkeit für Caylee!" und: "Babymörderin!" Zuletzt war das Verfahren quasi zu einer makabren Touristenattraktion in Florida geworden - das war auch der seit dem Verschwinden Caylees im Juli 2008 permanenten TV-Berichterstattung geschuldet.

Menschen aus dem ganzen Land standen Schlange, um den Prozess live im Gerichtssaal verfolgen zu können. Ein Schaulustiger sagte Reportern, er sei durch das halbe Land gereist, habe 3000 Dollar für Hotels ausgegeben und mehr als hundert Stunden mit Warten in der Schlange zugebracht.

"Vorverurteilungen gefrönt"

Die Anklage war der Überzeugung, Anthony - eine alleinerziehende Mutter, die bei ihren Eltern lebt - habe Caylee mit Chloroform betäubt, dann mit Klebeband erstickt und die Leiche des Kindes im Wald abgelegt, um Zeit zum Ausgehen und für Treffen mit ihren Freunden zu haben. Die Verteidigung sagte dagegen, das Mädchen sei im Pool der Familie ertrunken. Darauf sei die Mutter in Panik geraten und habe die Leiche versteckt - in dieser seltsamen Reaktion sah die Verteidigung eine Auswirkung des sexuellen Missbrauchs Anthonys durch ihren Vater.

Anthonys Anwalt Cheney Mason kritisierte die Medien nach dem Urteil heftig. "Ich hoffe, das ist für jene von euch eine Lehre, die drei Jahre lang Vorverurteilungen gefrönt haben, und auch für inkompetente TV-Kommentatoren." Beispielsweise hatte Nancy Grace von CNN schon seit geraumer Zeit argumentiert, Anthony sei für den Tod ihrer Tochter verantwortlich.

Im Prinzip müssten sich Grace und andere für ihre Fehleinschätzungen und vorschnellen Urteile entschuldigen. Doch trotz eines Freispruchs bleibt bei vielen Menschen ein Verdacht zurück. "Anthony wird immer mit dem Glauben behaftet sein, sie habe ihr Kind getötet", zitiert die "Washington Post" den Juraprofessor Lews Katz. "Sie wird nie ein normales Leben führen." Mehr als 17.000 Personen haben bei Facebook "Gefällt mir" bei der Seite "Ich hasse Casey Anthony" angeklickt.

Auch die Juroren haben mit dem Zorn der Massen zu kämpfen. "Wieso sind sie über mich wütend?", fragte Jury-Mitglied Ford. "Die Anklage musste die Vorwürfe beweisen." Offenbar spielte auch eine Rolle, dass Anthony im Fall einer Verurteilung die Todesstrafe gedroht hätte. "Wenn sie wollen, dass ich jemandes Leben nehme, dann müssen sie es beweisen. Sonst bin ich auch eine Mörderin", sagte Ford.

Ankläger hatten mit Mangel an Indizien zu kämpfen

In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft mit der dürftigen Indizienlage zu kämpfen. Als Caylees Leiche gefunden wurde, waren nur noch Knochen übrig. Staatsanwalt Lawson Lamar sagte, die Anklage sei "sehr schwierig zu beweisen" gewesen. "Die späte Entdeckung der Leiche hat sich beträchtlich zu unserem Nachteil ausgewirkt."

Caylee kam 2008 ums Leben. Erst sechs Monate, nachdem sie zuletzt lebend gesehen wurde, fand man ihre Leiche in einem Waldgebiet in der Nähe des Hauses ihrer Großeltern. Ein Pathologe konnte die Todesursache nicht mehr ermitteln.

Deshalb waren die Ankläger darauf angewiesen, Anthonys zwielichtigen Charakter herauszustellen. Sie zeigten Bilder der Frau, wie sie im ersten Monat nach dem Verschwinden ihrer Tochter lächelnd Partys feiert. Zudem erwies sich, dass die 25-Jährige nach dem Verschwinden ihrer Tochter gelogen hatte. So hatte sie behauptet, das Kind sei bei einem Kindermädchen, das es nicht gab. Auch die Aussage, Caylee verbringe Zeit bei einem reichen Freund, erwies sich als falsch.

Dennoch kam die Jury aus sieben Frauen und fünf Männern relativ schnell zum Ergebnis, Anthony vom Tötungsvorwurf freizusprechen. Schuldig befanden die Juroren die Frau dagegen des Lügens gegenüber Ermittlern in vier Fällen. Darauf steht zwar jeweils bis zu ein Jahr Haft. Aber weil sie schon zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft zugebracht hat, könnte sie bereits am Donnerstag freikommen, schrieb die "New York Times".